Die Gerlinger Erklärung im Wortlaut

Im Rahmen der diesjährigen Landestagung am 25.03.2023 in Gerlingen hat die Kommunalpolitische Vereinigung der CDU in Baden-Württemberg zehn Forderungen zur Vitalisierung der Städte und Gemeinden in Baden-Württemberg formuliert:

1.      Wohnen

Angesichts stark steigender Baupreise muss es wieder möglich sein, dass Bürgerinnen und Bürger aus der Mitte der Gesellschaft in allen Teilen des Landes Wohnraum bezahlen können. Fachkräften im öffentlichen Dienst wie beispielsweise Polizistinnen und Polizisten, Pflegekräften sowie Erzieherinnen und Erziehern gilt dabei unser besonderes Augenmerk. Wir wollen mehr Wohnraum mit weniger Bürokratie schaffen: mit einer Verschlankung des Baurechts, der Entschärfung von Auflagen zu Ausgleichsflächen und der Stärkung des sozialen Wohnungsbaus. Wir halten ein generelles Vorkaufsrecht für Kommunen für erforderlich, um Wohnungsbau und gewerbliche Nutzungen ortsverträglich, sozial und ökologisch abgewogen zu steuern. Unpassende Entwicklungen können so in den Städten und Gemeinden vermieden werden.

2.      Flüchtlinge

Bei der Unterbringung von Flüchtlingen ist in vielen Kommunen die Belastungsgrenze erreicht. Wir bekennen uns dazu, politisch Verfolgte und Flüchtlinge aus Kriegsgebieten bei uns aufzunehmen. Dies ist aber nur im Rahmen einer europaweiten abgestimmten Aufnahme möglich. Ukrainische Flüchtlinge sind in Deutschland nach dem Königsteiner Schlüssel auf die Bundesländer zu verteilen. Innerhalb von Baden Württemberg ist grundsätzlich eine gleichmäßige Verteilung aller Flüchtlinge auf der Grundlage der jeweiligen Einwohnerzahl erforderlich. Die Gewährung von Leistungen setzt die Einhaltung der Meldepflichten voraus. Es ist notwendig, nicht anerkannte Flüchtlinge konsequent abzuschieben. Wer bei uns Straftaten begeht, hat jeden Anspruch auf Aufnahme verwirkt. Die Unterbringungskosten für Flüchtlinge müssen den Kommunen vollständig erstattet werden. Gute Sprachkenntnisse sind der Schlüssel zur Integration: Deshalb brauchen bei der Sprachförderung von Flüchtlingskindern in Kitas und Schulen die Kommunen mehr Unterstützung. 

3.      Mobilität 

Bei der Gestaltung der nachhaltigen Mobilität für die Bürgerinnen und Bürger im Land wollen wir ein abgestimmtes Miteinander der Verkehrssysteme, kein Gegeneinander und keine Verbotspolitik. Der Einzelne soll frei wählen können, welches Verkehrsmittel er benutzt. Fußverkehr, Radverkehr, Öffentlicher Personennahverkehr und Individualverkehr müssen gerade in einem großen Flächenland nebeneinander bestehen und sich verlässlich ergänzen. Wir wollen einen stärkeren Ausbau des ÖPNV in Stadt und Land mit verlässlichen finanziellen Rahmenbedingungen durch Bund und Land. Damit erreichen wir, dass der Anteil des motorisierten Individualverkehrs am Modal Split langfristig abnimmt. In Städten soll grundsätzlich Tempo 30 gelten. Ausnahmen sind bei den klassifizierten Durchgangsstraßen (Bundes-, Landes- und Kreisstraßen) möglich. Der Ausbau der Ladeinfrastruktur beim Hochlauf der Elektromobilität ist auszubauen. Dazu braucht es wie beim der Ausbau der Breitbandinfrastruktur verlässliche Rahmenbedingungen und Förderprogramme von Bund und Land. Wir sind für klare Regelungen zu E-Skootern (Verbot von Fahren auf Gehwegen, Helmpflicht, Kennzeichenpflicht). Die Straßeninfrastruktur ist fortlaufend zu sanieren. Wir halten ein Förderprogramm für Brückensanierungen für erforderlich.

4.      Bildung

In der Bildungspolitik sind die Kommunen durch zahlreiche neue Vorgaben belastet. Durch Anforderungen moderner Pädagogik und die Notwendigkeit der Vereinbarkeit von Familie und Beruf wachsen die Anforderungen an die Ganztagesbetreuung, die Differenzierung in der Schule, an die ausreichende Vorhaltung fachtechnischer Räume. Dies führt zu einer Zunahme der Raumbedarfe. Hier ist eine höhere Förderung durch das Land notwendig. Bei zunehmend anstehenden Generalsanierungen der Schulgebäude aus den 1960er- und 1970erJahren brauchen die Kommunen mehr Unterstützung. Bei der Schulbauförderung ist das vom Kultusministerium vorgegebene Raumprogramm, insbesondere bei Erweiterung der Schulen wegen des Rechtsanspruchs auf Ganztagsbetreuung, als voll förderfähig anzuerkennen. 

5.      Sicherheit

In den Städten und Gemeinden unseres Landes können die Menschen dank der guten Arbeit unserer Sicherheitskräfte, insbesondere der Polizei, sicher leben. Das subjektive Sicherheitsempfinden der Bevölkerung muss weiter verbessert werden. Hierzu braucht unsere Polizei Unterstützung: Dies betrifft eine ausreichende Anzahl motivierter Polizistinnen und Polizisten und den Respekt der Gesellschaft für ihre Arbeit: Gewalt gegen Einsatzkräfte dulden wir nicht. Wir wollen den freiwilligen Polizeidienst weiter ausbauen. Die Videoüberwachung an Brennpunkten muss mehr als bisher genutzt werden. Auch eine rasche Verurteilung von Straftätern ist erforderlich.

6.      Gesundheitsversorgung

Die Gesundheitsversorgung in Stadt und Land ist ein bedeutendes Element der Daseinsvorsorge für unsere Bürgerinnen und Bürger. Die von der Ampel Regierung in Berlin vorgesehene drastische Reduzierung der Zahl der Krankenhäuser steht einer schnellen Akutversorgung entgegen. Wir fordern, dass sich der Bund auch mit denjenigen zusammensetzt, die Klinikreformen umsetzen müssen: Länder, Kliniken und Ärzteschaft. In den kommenden Jahren werden viele Ärztinnen und Ärzte aus Altersgründen aus der ambulanten Versorgung ausscheiden. Um die hausärztliche und wohnortnahe fachärztliche Versorgung auch künftig bedarfsgerecht zu sichern, sind mehr finanzielle und strukturelle Anreize zu schaffen. Das Land muss im Sinne seiner Planungsverantwortung für eine zukunftssichere Krankenhausversorgung in Baden-Württemberg gegenüber den Reformbemühungen der Ampel-Bundesregierung auftreten.

7.      bürgerschaftliches Miteinander

Das bürgerschaftliche Miteinander in Städten wie im ländlichen Raum ist uns ein wichtiges Anliegen. Durch Förderung von persönlichen Begegnungsorten in den Kommunen können Dorfgemeinschaften und Nachbarschaften weiter gestärkt werden, denn digitale Räume können persönliche Begegnungsorte nicht ersetzen. Das Ehrenamt muss gerade nach der Corona-Pandemie wieder in den Vordergrund gestellt werden: Ehrenamt verhindert Einsamkeit und stärkt die gegenseitige Unterstützung in der Gesellschaft. Ehrenamtliches Engagement muss durch weitere Anreize und weniger Bürokratie unterstützt werden, denn es ist ein wichtiger Beitrag für eine gut integrierte und funktionierende Gesellschaft.

8.      Umwelt- und Klimaschutz

Der Schutz unserer Umwelt, die Bewahrung der Schöpfung und die Einhaltung von Klimazielen sind uns ein wichtiges Anliegen. Zu den vielen bereits auf den Weg gebrachten Maßnahmen schlagen wir Ergänzungen vor. So muss die klimaneutrale Photovoltaik ist verstärkt zu fördern, bspw. auf öffentlichen Gebäuden oder Flächen, die für Landwirtschaft oder Naturschutz nur von begrenztem Wert sind. Um den Flächenverbrauch zu reduzieren, müssen wir große versiegelte Brachflächen entsiegeln, qualitätsvolle Innenentwicklung fördern, Leerstände sowie Aufstockungs- und Nachverdichtungspotenziale aktivieren und Anreize für energetische Sanierung im Bestand intensivieren. Der Klimawandel erfordert ein aktives Wassermanagement beispielsweise durch der Bau von Wasserzisternen insbesondere im Außenbereich, wie wir es von mediterranen Gegenden kennen. Gerade die trockenen Sommer 2003 und 2022 haben gezeigt, dass Wasser ein knappes Gut sein kann, wenn es z.B. um Bewässerung von landwirtschaftlichen Flächen, Straßenbäumen oder Gärten geht. Deshalb müssen wir aufgrund der steigenden Wassernachfrage auf einen verantwortungsvollen Umgang mit der Ressource Wasser hinwirken und die kommunalen Strukturen der Wasserwirtschaft stärken. Auch das kommunale Energie- und Wärmemanagement muss weiter ausgebaut werden.

Zum Klimaschutz gehört für uns auch neben vielen weiteren Maßnahmen ein Ausbau der Geothermie, von Wasserkraft an unseren großen Flüssen wie Rhein, Neckar und Donau sowie ein Ausbau der Forschung von PV-Technologie in Bauwerken und Baustoffen beispielsweise bei Dächern und Wänden – auch Lärmschutzwänden – sowie die Nutzung von Abwasser zur Wärmerückgewinnung.

9.      Digitalisierung

Schnelles und leistungsfähiges Internet in allen Teilen des Landes ist notwendig. Wir brauchen einen flächendeckenden Ausbau von Glasfaserkabeln und des 5G-Netzes. Überzogene datenschutzrechtliche Regelungen sind abzubauen. Die Chancen der Digitalisierung in den Kommunen müssen verstärkt und zielgerichtet umgesetzt werden, damit mehr Bürgerservice für die Bürgerinnen und Bürger auf der einen Seite sowie Arbeitserleichterungen für die Verwaltung auf der anderen Seite Hand in Hand einhergehen. Dazu müssen Plattformen wie service-bw mit allen konsequent und schnell ausgebaut werden.

10.   Entbürokratisierung

Entbürokratisierung ist eine Daueraufgabe. Bürokratieauflagen sind personell und finanziell kaum zu bewältigen. Insbesondere für ehrenamtlich Tätige in Vereinen und Organisationen sind Erleichterungen dringend notwendig. Zusätzliche Belastungen der letzten Jahre sind zurückzunehmen, wie z. B. die neuen Absperrvorschriften bei Fastnachtsumzügen, die Kennzeichnungspflicht bei selbstgefertigten Lebensmitteln wie bspw. Kuchen bei Vereinsfesten, und die Notwendigkeit umfassende und kostenintensive Sicherheitskonzepte für Veranstaltungen vorzulegen.

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